Rechtliches für U18-jährige (Stand 2020)

Für alle Menschen unter 18 Jahren (also Minderjährige auf jura-deutsch) gelten auch im rechtlichenBereich ein paar Besonderheiten und immer mal wieder gibt es besondere Schwierigkeiten. Deshalbhaben wir für euch hier das Wichtigste zusammengestellt.

In Gewahrsam

Die Polizei kann auch Kinder (bis 13 Jahre) und Jugendliche (14 bis unter 18 Jahre) in Gewahrsam nehmen. Dies ist ein schwerer Eingriff in das Erziehungsrecht deiner Eltern/Erziehungsberechtigten und außerdem bist du als minderjährige Person besonders „schutzbedürftig“ und eine Freiheitsentziehung ist damit schnell unverhältnismäßig. Normalerweise müsste die Polizei dann in allen Fällen, das heißt z. B. bei Ingewahrsamnahmen zur Gefahrenabwehr oder zur Durchsetzung eines Platzverweises, sofort deine Eltern/Erziehungsberechtigten oder das Jugendamt informieren.

Wenn die Polizei davon ausgeht, dass du ohne das Wissen deiner Eltern/Erziehungsberechtigten unterwegs bist, können sie dich auch in Gewahrsam nehmen, um dich zu deinen Eltern/Erziehungsberechtigten oder dem Jugendamt zu bringen (sogenannter „Obhutsgewahrsam“ gem. § 35 Abs. 2 Polizeigesetz NRW).

In der Praxis heißt das meistens, dass die Polizei dich trotzdem erst mal mitnimmt. Irgendwann wird dann gefragt, wer noch unter 18 Jahren ist. Auch als „minderjährige“ Person hast du ein Recht auf einen Anruf – ruf also den EA an und sag, wo du dich befindest!

Es kann geschehen, dass dir die Polizei eine Straftat vorwirft. Das heißt auch, dass es sein kann, dass die Polizei dich verhören will. Sie muss dich davor belehren, dass du die Aussage verweigern darfst (was du auch tun solltest!). Da die Polizei sich oft nicht an Regeln hält, verlass dich nicht drauf, dass sie dich belehrt. Bei einer Vernehmung haben deine Eltern/Erziehungsberechtigten als gesetzliche Vertreter ein Anwesenheitsrecht. Wenn du das möchtest, kannst du also darauf bestehen, dass du mit ihnen vorher telefonieren darfst. Unter 14-Jährige dürfen keinem Verhör unterzogen werden.

Situation bei Angabe deiner Personalien

Wenn du Personalien angibst, muss die Polizei versuchen deine Eltern/Erziehungsberechtigen anzurufen, damit sie dich von der Polizeistation abholen. Ob du ihnen die Telefonnummer gibst und ob du darauf drängst, dass sie tatsächlich benachrichtigt werden (was die Polizei oft doch nicht macht), ist natürlich deine Entscheidung.

Vollmacht : Du kannst einen Aufenthalt auf der Polizeiwache ausschließen, wenn du eine schriftliche Erlaubnis deiner Eltern/Erziehungsberechtigten, an den Protesten teilzunehmen, dabei hast. Mit einer solchen Erlaubnis können deine Eltern/Erziehungsberechtigten einer anderen volljährigen Person das Recht übertragen, dich aus dem Polizeigewahrsam abzuholen. Dann kann Dich auch die bevollmächtigte Person mit diesem Zettel von der Polizeiwache abholen.
Bei der Vollmacht kannst du am besten eine Person, die volljährig ist und nicht direkt mit in die Aktion geht, angeben. Wenn du keine solche Person direkt kennst und deine Eltern/Erziehungsberechtigten das mitmachen, kannst du auch ein unterschriebenes Blanko-Formular mitbringen und dann eine Person vor der Aktion eintragen.

Ruf dann die bevollmächtigte Person bzw. den EA (beim Blanko-Formular) von der Polizeiwache aus an und bitte sie, dich abzuholen.
Eine solche Vollmacht könnte wie folgt aussehen und muss von allen Eltern/Erziehungsberechtigten unterschrieben werden:

Vollmacht
Frau/Herr/Person:
Anschrift:
ist von mir/uns legitimiert
meinem/unserem Kind: Name, Anschrift, Geburtsdatum
nach einer Fest- oder Ingewahrsamnahme im Zeitraum vom
XX.XX.20XX bis XX.XX.20XX in Empfang zu nehmen und zu betreuen.

Unterschrift(en)

Situation bei Personalienverweigerung

Wenn du Personalien verweigerst und die Polizei dir glaubt, dass du jünger als 18 Jahre alt bist, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie dich in eine Jugendeinrichtung bringen. In einer solchen Einrichtung darfst du nicht eingesperrt werden. Du kannst also von dort einfach gehen, sobald die Polizei weg ist. In der Praxis gab es sehr unterschiedliche Erfahrungen, wie das mit dem einfach weggehen war: Teilweise einfach, aber manchmal wurden z. B. persönliche Sachen weggeschlossen oder das Abhauen ging erst am nächsten Morgen. Versuche von der Jugendeinrichtung oder der Polizeistation den EA anzurufen und teile die Adresse oder zumindest die Stadt der Einrichtung mit, damit der weiß, wo du eingesammelt werden kannst. Am besten hast du für den Notfall auch Bargeld dabei, damit du mit öffentlichen Verkehrsmitteln selbst wieder zu deiner Anreisestadt zurückfahren kannst.
Ob du versuchst, als „minderjährig“ durchzugehen oder erwachsen zu wirken, ist eine strategische Entscheidung, die du selbst treffen musst. Das hängt davon ab, ob du lieber eventuell mit vielen anderen in der Gefangenensammelstelle (GeSa) bist oder darauf setzt, dass es besser ist, von einer Einrichtung abzuhauen, was du nach bisherigen Erfahrungen oft alleine machen musst, aber eben auch weniger miese Bedingungen bedeutet. Wenn du bei der Entscheidung Hilfe brauchst, sprich mit deiner Bezugsgruppe oder kontaktiere das Legal Team.

U-Haft

Auch Jugendliche (14-17 Jahre) können bei schwereren Vorwürfen und Fluchtgefahr in Untersuchungshaft genommen werden (siehe Kapitel 7.2. Rechtshilfe-Broschüre) und landen dann in einem Jugendknast. Bei Kindern (also wenn du jünger bist als 14 Jahre oder so wirkst) dann geht das nicht.

Nach der Aktion (Jugendstrafverfahren)

Vorladung und Verhör

Vorladungen zur Vernehmung bei der Polizei kommen bei „Minderjährigen“ auch an die Eltern/ Erziehungsberechtigten. Die Eltern/Erziehungsberechtigten haben ein Anwesenheitsrecht bei polizeilichen Vernehmungen und werden deshalb von solchen Terminen informiert. Sie haben auch das Recht, Anträge im Verfahren zu stellen (§ 67 JGG, Jugendgerichtsgesetz), können also deine Strategien mitbestimmen. Das ist oft nicht einfach, den viele Eltern/Erziehungsberechtigte tendieren dazu, mit der Polizei alles klären zu wollen. Meistens ist das eine schlechte Idee, denn viele Eltern/Erziehungsberechtigte haben wenig Erfahrung mit politischen Strafverfahren. Auch wenn es manchmal nicht einfach ist, eine Auseinandersetzung mit deinen Eltern/Erziehungsberechtigten ist sinnvoll. Es ist wichtig, zu (er)klären, wie du in einem politischen Strafverfahren vorgehen willst und warum es sinnvoll und richtig ist, die Aussage zu verweigern. Lass dich im Zweifel nicht unter Druck setzen, sondern wende dich an uns oder andere politische Antirepressionsstrukturen und notfalls reden wir gemeinsam mit deinen Eltern/Erziehungsberechtigten.

Gerichtsverfahren

Wenn du angeklagt wirst, ist, anders als bei Erwachsenen, nicht das Gericht am Tatort, sondern an deinem Wohnort für dich zuständig – oft eine besondere Herausforderung bei der Solidaritätsarbeit. Außerdem finden Prozesse unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Der Erziehungsauftrag des Gerichts führt dazu, dass neben Moralpredigten auch andere Strafen verhängt werden können, z. B. das Schreiben eines Aufsatzes, die Vorgabe bestimmte Orte nicht mehr aufzusuchen, Sozialstunden abzuleisten, ein Anti-Gewalt-Training zu besuchen oder Ähnliches. Anwält*innen müssen über deine Eltern/Erziehungsberechtigte beauftragt werden. Versuche aber trotzdem – gemeinsam mit Antirepressionsstrukturen – ein*e Anwält*in zu finden, die*der Erfahrungen mit politischen Strafverfahren hat.

Wo bekomme ich mehr Informationen?

In der Rechtshilfebroschüre werden die rechtlichen Aspekte ausführlicher beschrieben. Wir empfehlen dir, dich in deiner Bezugsgruppe vor der Aktion mit dieser Broschüre ausführlich zu beschäftigen.

Es ist sinnvoll sich schon vorher genauer mit den juristischen Bedingungen auseinanderzusetzen. Weitere Informationen zum rechtlichen findest du hier: https://www.ende-gelaende.org/rechtliches/

Wir organisieren und koordinieren auch die juristische Nachbereitung der Aktionen zusammen mit Ende Gelände. Meldet euch also per Mail, wenn ihr Post von Polizei, Staatsanwaltschaft oder einem Konzern bekommt oder Fragen habt (möglichst verschlüsselt) bei: legal_team_fuer_alle@posteo.de ( PGP-Key )